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04.01.2005

Märchen von teurem Ökostrom"

Scharfe Reaktionen nach Kritik an „Überförderung" erneuerbarer Energien

Massiven Widerspruch hat der Leiter der rheinland-pfälzischen Energie-Agentur, Horst Dieter Spitz, mit seiner Behauptung ausgelöst, erneuerbare Energien würden in Deutschland „überfördert" (wir berichteten am 29. Dezember). Spitz verkenne die Wichtigkeit einer nachhaltigen Energieversorgung, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Heinz Schmitt. Er lasse „bewusst Tatsachen unter den Tisch fallen", kritisierte die Projektgruppe „Sonniges Landau". Der Vorsitzende der Stiftung für Ökologie und Demokratie, Hans-Joachim Ritter (Rülzheim), hält Spitz vor, nur das Branchenwohl der konventionellen Stromwirtschaft im Auge zu haben.

Spitz male „eine heile Welt künftiger Energieversorgung", meint Schmitt. Die Stromausfälle in Nordamerika, Italien oder Schweden, erste Auswirkungen der Klimaveränderungen oder die Folgen hoher Energiepreise für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zeigten, wie wichtig eine sichere, kostengünstige, effiziente und umweltverträgliche Energieversorgung sei. Dies setze voraus, dass erneuerbare Energien generell möglichst wettbewerbsfähig würden. Die Anwendungsbreite erneuerbarer Energien muss Schmitt zufolge vergrößert werden. Dafür seien deutlich größere Anstrengungen notwendig, insbesondere zur umweltverträglichen Erschließung von Energie aus Biomasse sowie aus Geothermie.

Laut Schmitt führt der durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz geförderte Strom bis zum Jahr 2010 zur Einsparung von 24,6 Millionen Tonnen an Treibhausgasen. Das seien dann elf Prozent der insgesamt erreichten Einsparungen. Das Gesetz habe außerdem dazu geführt, dass Deutschland Spitzenreiter in den neuen Technologien sei, vor allem in der Windenergie und der Photovoltaik. Das Gesetz führe weiterhin dazu, dass die Abhängigkeit Deutschlands von Energieimporten aus instabilen Regionen vermindert und eine nachhaltige Energiebasis für die deutsche Wirtschaft geschaffen werde. Auch trage es zur Generationengerechtigkeit bei, da die Folgekosten von atomaren und fossilen Energieträgern (Atommüll-Endlagerung, Treibhauseffekt) vermindert würden.

Die Forderung von Spitz, Gebäude zu modernisieren, begrüßte der SPD-Bundestagsabgeordnete: „Natürlich gehen all die Bemühungen um eine umweltschonende Energiegewinnung Hand in Hand mit dem Bemühen, Energie einzusparen."

Scharf fällt auch die Kritik der Projektgruppe „Sonniges Landau" im Stadtmarketingverein aus: „Ihre ,Fachmeinung" ist ein Schlag ins Gesicht derer, die sich ernsthaft um die negativen Klimaveränderungen und eine vollständige Solarenergiewende Gedanken machen", kontert Armin Stulier die Aussagen des Energieagentur-Chefs Spitz: Dieser verschleiere geschickt Sachverhalte und lasse bewusst Tatsachen unter den Tisch fallen. Stulier: „Die oberflächliche Betrachtungsweise, dass regenerative Energien teurer und fossile Energien billiger sind, ist ein Märchen. Spätestens in 20 bis 30 Jahren wird sich rächen, dass wir jeden Tag zum Beispiel 150 Millionen Tonnen Treibhausgase weltweit ausstoßen." 99 Prozent der Klimaforscher warnten eindringlich vor den irreparablen Schäden.

Energiesparen sei „- zugegeben - ein wichtiger Pfeiler", so Stulier weiter, reiche aber nicht aus. Wenn Spitz schon auf Kohle setze, dann müsse er auch sagen, was dies wirklich koste und wie es finanziert werde. Jeder Arbeitsplatz in der Kohleindustrie werde jährlich mit rund 60.000 Euro aus Steuergeldern finanziert. Stulier wäre gespannt, wie Spitz reagieren würden, „wenn jeder Solarhandwerker im Jahr nur 2000 Euro Subvention bekäme". Tatsache sei zudem, dass das gesamte Erneuerbare-Energien-Gesetz eine durchschnittliche Familie im Monat lediglich rund einen Euro koste.

Der Vorsitzende der Stiftung für Ökologie und Demokratie, Ritter, widerspricht Spitz ebenfalls. „Nach langen Jahren einseitiger Bevorzugung der Kohle- und Atompolitik" eroberten jetzt erneuerbare Energien den Markt. Das Erneuerbare Energien-Gesetz sei „fraglos in Deutschland zum Wachstumsimpuls und im Ausland zum Exportschlager geworden." Die Energie-Offensive Rheinland-Pfalz, der Spitz vorstehe, sei dagegen „ein Zusammenschluss der Stromwirtschaft". Die herkömmlichen Stromproduzenten müssten die Maßnahmen nach dem Gesetz finanzieren. „Insofern ist der am Branchenwohl und nicht am Gemeinwohl orientierte Aufschrei von Spitz verständlich", meint Ritter. Und: Wenn auch im Bereich der energetischen Gebäudesanierungen, wie von Spitz ausgeführt, noch riesige Energieeinsparpotenziale gegeben seien, „sollte man solche Maßnahmen dennoch nicht gegen den Einsatz erneuerbarer Energien ausspielen, weil man trotz Ausschöpfung aller Energiepotenziale letztlich auf fossile Energien angewiesen wäre". Nach Ritters Ansicht führt nur der Einstieg in die erneuerbaren Energien zu CO2-neutralen Lösungen, um die Klimaziele zu erreichen.

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) in Paderborn reagierte unterdessen auf den Vorwurf, das Erneuerbare-Energien-Gesetz sei Grund für die aktuellen Strompreiserhöhungen der Energieversorger: BEE-Geschäftsführer Milan Nitzschke teilte mit, dass bereits in den vergangenen zwei Jahren die deutschen Stromversorger von ihren Kunden etwa 500 Millionen Euro zu viel für Strom aus Erneuerbaren Energien kassiert hätten. Wenn die aktuellen Preiserhöhungen für 2005 nun erneut mit der Einspeisung Erneuerbarer Energien begründet würden, sei das „eine ganz dreiste Verkaufslüge".

Quelle:
Publikation: DIE RHEINPFALZ
Regionalausgabe: Pfälzer Tageblatt
Datum: Nr.1
Datum: Montag, den 03. Januar 2005
Seite: Nr.13


Leserbriefe zum Rheinpfalz-Artikel vom 29.12.2004 - "Wir kriegen Strompreise, die sich gewaschen haben."

"Herr Spitz nimmt seinen Ärger zum Anlass, um als Leiter der Landesenergieagentur eine "fachliche Stellungnahme" zu Gunsten seiner eigentlichen Auftraggeber abzugeben. Sein Ärger hat ihm offensichtlich die Sinne vernebelt. Fernab jeglicher energiewirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Tatsachen und Erfordernisse argumentiert er so, dass deutlich wird, wessen Geschäft er betreibt. Mit seinem Gefasel von einer "Überforderung der Ressource Kapital" will er von den wahren Zusammenhängen ablenken. 
Als hätten wir nicht Jahrzehnte energiepolitische Diskussionen ,vom Waldsterben über Rio, Kyoto, Berlin und viele andere hinter uns, wo die Probleme fossiler Energieerzeugung für unsere alte Erde, vor allem so genannten Fachleuten, zur Genüge deutlich geworden sein müssten.

Wer heute davon spricht, dass die "Ressource Kapital ...für erneuerbare Energien zu sehr in Anspruch genommen würde", verdreht die Tatsachen: - Kapital ist lediglich ein Hilfsmittel wirtschaftlicher Tätigkeit des Menschen und niemals eine Ressource. Diese Fehleinschätzung soll davon ablenken, dass jahrzehntelang kurzfristiges Gewinndenken dazu geführt hat, dringend notwendige Luftreinhaltemaßnahmen zu Gunsten der Aktiengewinne nach Möglichkeit nicht durchzuführen. Die Folgen für die existentiell wichtigen Ressourcen Luft, Wasser und Boden werden nicht zur Kenntnis genommen.
Nach dem Motto "für mich reicht's" haben zwei Generationen im Hinblick auf Lebens- und Entwicklungschancen künftiger Generationen brutal versagt.
Aber nicht nur die Folgen dieser, auch aus ökonomischer Sicht unsinnigen, Luftverschmutzung belasten die Zukunft, sondern auch das Fehlen echter Ressourcen wie Kohle, Öl, Gas, Kupfer, Zinn usw., die die genannten Generationen auf Kosten ihrer eigenen Nachkommen verschwendeten.

Was wird Herr Spitz wohl seinen Enkeln erzählen, wenn diese fragen, wo die Rohstoffe z.B. für die pharmazeutische Industrie geblieben sind, die seine Generation durch den Auspuff und den Schornstein gejagt hat?  Zu einem verantwortungsvollen Umgang mit zukunftsrelevanten Entscheidungen gehört mehr als das Denken im Maßstab von Shareholder Value. Selbstverständlich brauchen wir die Verringerung des CO2-Ausstoßes und müssen uns überlegen, wo Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden.
Dies ändert jedoch nichts daran, dass die fossilen Energien langfristig durch regenerative ersetzt werden müssen. Angesichts der Subventionen, die in der Vergangenheit in die Energiewirtschaft geflossen sind, handelt es sich bei den öffentlichen Mitteln, die ins EEG fließen, um Peanuts.
Insofern sollte sich die Landesregierung als Leiter der rheinland-pfälzischen Energieagentur jemanden verpflichten, der über den Tellerrand ein Stück weiter sieht als Herr Spitz.
"

Armin Osterheld, Vorderweidenthal

"Ja, Herr Spitz, wir produzieren 3 mal mehr Energie als wir selbst verbrauchen mit der Sonne und bekommen dafür eine aufwandsgerechte Vergütung. Leider werden wir nicht reich dabei. Aber wir können unseren Computer ohne schlechtes Gewissen auch mal vergessen auszuschalten. Gemessen an den Gewinnmarchen der Energiekonzerne sind wir jedoch arme Wichte. Diese können sich auf Fachleute wie sie und die Dummheit der Politik verlassen, die immer noch nicht fragt, wer durch ihre Entscheidungen gewinnt.
Ihre PR-Masche reitet auf dem Neid-Komplex und der Fehlinformation von kostendeckenden Strompreisen. Den wahren Preis des billigen Stromes müssen künftige Generationen bezahlen. Unsere Einspeisevergütung wird mit realistischen Zahlen, die die Zukunft nicht belasten, berechnet. Dies wird früher oder später für alle Stromerzeuger so gerechnet werden müssen. Im Zuge der Verknappung fossiler Brennstoffe wird sich dort eine Preisspirale ohne Ende vollziehen."

Ilse Osterheld, Vorderweidenthal

"Sicherlich ist eine Investition in die Modernisierung von Gebäuden wichtig. Nur wenn wir alle Möglichkeiten nutzen um die Energiewende zu schaffen, können wir erfolgreich sein. Einsparen von Energie und Erzeugung aus regenerativen Quellen. Und die Menschheit muss die Energiewende schaffen, denn Öl und Gas sind endliche Energiequellen. Auch wenn die jetzt Erwachsenen dieses Ende nicht mehr erleben werden, müssen wir für unsere Kinder und Kindeskinder jetzt die Energiewende ins laufen bringen.
Und dazu ist es notwendig, dass jetzt Menschen mit der Forschung und Entwicklung von leistungsfähigen Systemen beginnen. Dies ist aber nur möglich, wenn es Geld dafür gibt. Darum finde ich die Anschubsfinanzierung über das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) wichtig und richtig!
Beim Preisvergleich sollte man noch bedenken, dass beim Öl nur die Förderung und der Transport als Kosten gerechnet werden. Was ist aber mit den Schäden durch die CO2-Emissionen? Diese werden nicht in der Preis hineingerechnet.
Meine Photovoltaikanlage stößt kein CO2 aus, dass ist sauberer Strom ohne "Nebenwirkungen". Und man sollte bedenken, dass kein neues Öl  nachkommt. Kein Förster könnte Jahrzehntelang Holz abfällen, ohne neue Bäume zu pflanzen. Aber genau das machen die Ölförderer.
Ich würde mich freuen, wenn die Rheinpfalz in Zukunft sachlicher und unter Berücksichtigung aller Aspekte dieses wichtige Thema diskutieren würde."

Dieter George, Gleishorbach


 

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